Begegnungen
Damit konnten sie nicht rechnen, das was da geschieht konnten sie nicht voraussehen oder gar vorausahnen. Sie kommen und bríngen ihr Kind hinauf zum Tempel, um Gott Dank zu sagen für das neugeborerene Leben, zu dem sie – trotz der ungewöhnlichen Gegebenheiten – Ja gesagt und es in ihrem Leben willkommen willkommen geheißen haben.
Dann tritt ein Mann zu ihnen, so wie eine Frau, beide bereits hochbetagt. Ihre Freude, dieses Kind zu sehen , überrascht die Eltern, schließlich kennen sie einander nicht. Oder doch? Zumindest scheinen die beiden ihr Kind zu kennen, was ohne die Eltern doch sehr überraschend ist.
Das, was der Evangelist Lukas im 2. Kapitel erzählt, berührt mich sehr. Und es sind besonders die beiden alten Menschen, Simeon und Hanna, die eine nachhaltige Spur in mir zurücklassen. Sie trauen dem, was in ihrem Inneren los ist und lassen sich davon bewegen. Bewegtssein ist sozusagen die Fortsetzung von Berührtsein. Sie gehen an jenen Ort, wo der Geist, wo ihre innere Stimme sie hinführt. In dieser Geschichte ist es der Tempel von Jerusalem; es können aber auch alle möglichen andere Orte sein, wo Gottes Geist uns hinführt. Wichtig ist nur, das wir dort erscheinen.
Warum sollen wir an den Orten erscheinen, auf die uns unsere innerste Sehnsucht hinweist, der Geist Gottes aufmerksam macht? Weil Gott und das Leben an diesen Orten zu finden ist, und weil wir beidem an diesen Orten begegnen werden! Das sagt uns die Erzählung von Hanna und Simeon.
Doch die Frage an uns wird sein: Wollen wir – will ich – Gott begegnen? Oder ist unser Gottesbild so geprägt, das wir Angst vor einer sochen Begegnung haben?
Vermutlich haben weder Hanna noch Simeon damit gerechnet, das sie Gott in einem Kind gegegnen werden, schon gar nicht einem Kind einfacher, gewöhnlicher Eltern. Unser Gott ist aber nicht zu uns auf dem Weg an der Spitze einer Armee, einer politischen Partei oder einer liturgischen Prozession. Unser Gott hat sich mit seiner Geburt als Mensch auf den Weg zu uns gemacht als KIND. Das ist das Besonderes, das Überraschende und das große Geheimnis unseres Gottes. ER kommt uns auf Augenhöhe entgegen, als einer von uns; auch wenn das den Gelehrten und Wortführern damals wie heute nicht passt.
Simeon scheut sich nicht, dieses Kind, in dem er das Licht und die Heilung unserer Welt erkennt, in seine Arme zu nehmen. Liebevoll umarmt er dieses Kind und weiß sich zugleich von ihm umarmt und aufgenommen in einem ewigen Licht. Und er erkennt die Herausforderung mit der uns dieses Kind als erwachsener Mann konfrontieren wird. An seiner Lehre werden sich die Geister scheiden; an seiner Lehre werden wir erkennen, wes Geistes Kind wir sind. Auch das hat bis heute seine Gültigkeit. Seine Geburt als Mensch beinhaltet Gottes ganze Liebe zum Menschsein. Wer sind wir, das wir uns anmassen über Menschen zu urteilen, sie nach Hautfarben und Geschlecht sortieren, in Kategorien einteilen und darüber entscheiden, wer wo leben darf? Wer das tut, denkt, redet und handelt nicht im Sinne unseres Gottes. Das sind keine gottgewollten Alternativen für wahres Menschsein.
Um BEGEGNUNG zu erfahren und zu ermöglichen braucht es das Gespräch auf Augenhöhe, nicht von oben nach unten. Und es bedarf der Wertschätzung für jedes Leben, auch dem, das meinen persönlichen Vorstellungen nicht entspricht. Und wenn wir Gott begegnen wollen, so wie Simeon und Hanna ihm begegnet sind, müssen wir an den Orten erscheinen, an denen solche BEGEGNUNG möglich ist.
Sr.M. Josefa op am 2. Februar 2025